Ein weiteres Interview der Reihe „Zypern-Unternehmer-Portraits“.
Dieses Mal mit Matthias Czakay. Matthias ist gelernter Automechaniker und Verfahrenstechniker.
Er hat mehrere Jahre in der Elastomer-Industrie gearbeitet und hat nun auf Zypern sein Unternehmen „Fahrradverleih“ gegründet.
Er verleiht und repariert Rennräder und Mountainbikes und möchte sich auf Zypern dem beschleunigten Hamsterrad-System in Deutschland entziehen.
Was für ein Unternehmen betreibst du hier auf Zypern und wie lange hast du das schon?
Ich habe das Unternehmen im Mai letzten Jahres (2021?) gegründet. Im Oktober bin ich in den Markt eingestiegen. Es läuft besser an als ich gedacht habe. Ich bin stark vom Tourismus abhängig, da der Markt hier selbst nicht sehr groß ist. Ich hoffe, dass es jetzt wieder aufwärts geht, die Tendenzen sind da. Ich bin ganz begeistert, was ich jetzt schon für Rückmeldungen und Buchungen bekommen habe.
Was für Fahrräder habt ihr da?
Ich habe mich erst einmal auf den sportiven Bereich verlagert. Ich habe also keine E-Bikes, ich habe Mountainbikes und Rennräder. Bewusst auch weil die Kosten, der Transport, und die Betreuung für E-Bikes sehr hoch ist. E-Bikes wären vielleicht Zukunftsmusik, wenn die Anfragen weiter hochgehen.
Was hat dich dazu gebracht, ausgerechnet auf Zypern dein Unternehmen zu starten?
Bewogen hat mich dazu, dass wir 2015 für einen Fahrradurlaub nach Zypern gekommen sind.
Ich bin begeisterter Hobby-Fahrer, bin schon mehrere Touren gefahren.
Dann habe ich die Mentalität der Leute und die Möglichkeiten, die man hier hat, kennengelernt. Das hat bei mir diese Idee gesetzt. Hier auf Zypern ist der Markt auch noch nicht so gesättigt wie in Deutschland, was einem viel mehr Raum zum Ausprobieren lässt.
Ich muss dennoch mit meinem Invest ein bisschen Werbung betreiben, damit ich einen gewissen Umsatz im Jahr erziele. Es gibt hier auch einen kleinen Markt, der aber überschaubar bleibt. Ich gehe da nach dem Prinzip kontrollierte Offensive. Also nicht komplett ins blaue, sondern mit einem gewissen Puffer und ich habe eine gewisse Zeit, wo ich das Geschäft beobachten kann wie es läuft. Im Moment läuft es sehr gut an.
Wie lange lebst du jetzt schon auf Zypern?
Wir sind am 28.08.2020 hier auf Zypern angekommen. Wir sind nach Kalabazos(?), das ist ein kleiner Ort zwischen Larnaka und Limassol, also ziemlich zentral gelegen. Für Radurlaube ist es sehr gut gelegen, weil man schnell am Meer und schnell in den Bergen ist. Also nach meinem Empfinden der ideale Standort für einen Fahrradverleih.
Ist das die erste Auswanderung für dich und deine Familie?
Wenn man von Hessen nach Bayern als Auswandern bezeichnet. Manche würden das dazu sagen.
Nein, Spaß beiseite. Das war unsere erste Auswanderung aus Deutschland.
Was waren für dich und dein Unternehmen die wichtigsten Standortvorteile? Was war für dich der Zypern-Faktor?
Eigentlich war es mehr oder weniger eine Bauchentscheidung. Natürlich habe ich meinen Businessplan gemacht. Da es ein Placement-Geschäft und wir dort in der Region starke Hotel und Apartment-Partner haben ist es vom Standort – was Tourismus angeht – auch sehr gut. Der Robinson-Club ist auch in der Nähe, wohin ich bereits den Kontakt habe. Dadurch habe ich viele deutschsprachige Kunden, auch viele Niederländer.
Es ist hier im Vergleich zu anderen Ländern auch sehr leicht, ein Unternehmen zu gründen. Ich habe dann aufgrund des hohen Invest-Volumens was ich habe eine Limited gegründet.
Das sind so meine Hauptfaktoren, mit dem Bauchgefühl zusammen.
Ich habe es nie so richtig geplant, sondern immer so ein bisschen darüber gescherzt. Am Ende des Wegs war es ein Bauchgefühl, in dieses Abenteuer zu gehen.
Wie lange bist du schon auf dem Fahrrad unterwegs?
Richtig angefangen habe ich 2005 als ich nach Lindau an den Bodensee gezogen bin. In meiner Firma gibt es ein angegliedertes Sportgeschäft. Da habe ich dann richtig angefangen Fahrrad zu fahren, da wurde es dann zu einem großen Hobby. Und wie jeder so träumt, sein Hobby zum Beruf zu machen, habe ich das dann gemacht.
Also von der Projektleitung für Zulieferer der Automobilindustrie zum Rad-Laden. Der ein oder andere würde sagen, dass das ein Abstieg war. Aber ich kann nur sagen, dass es ein großer Aufstieg war, weil das Lebensgefühl ein ganz anderes ist.
Wie lange hat der Auswanderungsprozess gedauert?
Der ganze Prozess hat bei uns ein bisschen länger gedauert. 2015 waren wir das erst mal hier. Dann ist dieser kleine Keim immer weitergewachsen.
Ich habe mich dann nach Immobilien umgeschaut und wir haben uns dann auch eine zugelegt. Die Immobilie wurde dann noch renoviert. Der ganze Prozess ging dann ca. über 2 Jahre. Das Umsiedeln an sich ging dann sehr schnell.
Als Projektleiter habe ich uns dann einen Stichtag gesetzt, den wir sogar noch nach vorne gelegt haben. Dann war das relativ schnell und einfach. Auch weil es hier noch EU ist, war das kein großer Akt. Wir hatten uns dann auch entsprechende Unterstützung hier geholt.
Wie hat die Familie darauf reagiert als ihr ausgewandert seid?
Ich bin verheiratet und habe in Summer drei Kinder. Die jüngste in viereinhalb und auch hier mit auf Zypern. Sie geht hier auch in den griechischen Kindergarten und kann uns bereits übersetzen, was die Nachbarn so erzählen.
Die Familie in Deutschland war eher positiv gestimmt. Aber das hätte mich auch gar nicht so interessiert, was die Familie so gesagt hätte. Natürlich gab es den ein oder anderen Zweifler, der sich gefragt hat, warum und wie könnt ihr das gelobte Land nur verlassen. Na ja, ob das wirklich so gelobt ist, das lassen wir mal dahingestellt sein.
Also wir haben uns da gar nicht mehr beeinflussen lassen. Natürlich ist es ein großer Schritt, aber es ist alles inzwischen so vernetzt und so nah beieinander, dass man auch schnell wieder in der Heimat ist.
Gab es für dich als Unternehmer irgendwelche Sprachbarrieren oder Herausforderungen?
Es ist fast schon zu einfach, um es mal so zu sagen. Mit dem englischen kommt man hier schon zu 80 % durch. Wenn man dann noch Consultants hat, die deutschsprachig sind, ist es sowieso sehr einfach.
Das ist natürlich ein bisschen schade, weil es einen daran hindert, die Sprache hier zu lernen. Wir sind dabei, aber ein bisschen mehr Druck wäre nicht schlecht.
Aber auf gut-deutsch: Nein, ich hatte keine Probleme mit der Sprache, mit dem englischen kommt man hier sehr gut weiter.
Hattest du auch in Betracht gezogen, in den nördlichen Teil der Insel zu gehen, also in die Türkische Republik Nordzypern?
Eigentlich nein. Auf die Idee sind wir nicht gekommen. Denn ich mag Direktflüge und die gibt es ja nach Nordzypern nicht. Da muss man dann erst noch einmal in Istanbul oder Ankara zwischenlanden. Es ist natürlich auch der Charme hier in der EU zu sein. Das macht es für uns Europäer deutlich einfacher. Ich denke auch von der Mentalität her doch noch einmal ein bisschen näher an uns.
Gab es für dich irgendwelche Markteinstiegshürden oder Wettbewerb, der herausfordernd war?
Ich habe mein Unternehmen dort in der Ecke gegründet, weil gerade ein Unternehmer seinen Fahrradladen gerade geschlossen hat. Also zwei Fahrradläden in der Ecke wäre dann doch ein bisschen zu viel gewesen.
Ich habe mein Benchmark gemacht und geschaut, wie es vergleichsweise auf Mallorca aussieht bezüglich des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Denn Mallorca ist so das Radsport-Mekka der Deutschen. Dann habe ich mich hier ausgiebig auf dem Markt umgesehen, wie die Preise und die Leistungen hier sind.
Ich habe mich dann am Mallorca Modell orientiert, um noch mehr Leute anzuziehen. Am Ende des Tages ist der Preis ein gewisser Faktor. Über die Benchmark-Analysen habe ich dann meinen Business-Case gemacht.
Ich hatte also keine Hürden hier, also kein Problem.
Gibt es irgendetwas, was dir als Unternehmer auf Zypern fehlt?
Also direkt fehlt mir nichts hier. Wenn mir noch etwas als Unternehmer fehlt, ist es ein Kooperationspartner, der mir Fahrräder liefern kann.
Wenn, dann war die einzige Hürde und meine einzige Angst Fahrräder zu bekommen und eröffnen zu können. Das habe ich aber über Freunde und Kontakte organisieren können. Ansonsten fehlt mir hier nichts.
Welche Tipps kannst du offline-Unternehmern geben, die nach Zypern kommen wollen?
Da ich davor immer angestellt war, ist das Unternehmersein noch ganz neu für mich. Ich unterhalte mich mit vielen Unternehmern, wie es für sie in Deutschland war.
Den einzigen Tipp, den ich geben kann, ist sich zu trauen. Und wenn man am Ende des Tages mit dem deutschen System nicht mehr so kongruent geht, ist das hier eine hervorragende Alternative sich hier niederzulassen. Das war für uns aber nie der primäre Grund.
Ich habe das Unternehmen auch erst später gestartet. Die Mentalität, die Lebensphilosophie, das Weniger kann mehr sein zu sehen als typischer Deutscher, hat es am Ende gebracht.
Wenn jemand die Schnauze voll hat, auf gut Deutsch, im gelobten Land, dann ist das eine sehr gute Alternative, wo ich sagen kann: Hier kann ich ausbrechen aus meinem Hamsterrad.
Denn selbst als Angestellter hat man einen Fixkosten-Block, der sehr unglaublich groß ist und man ist auf Gedeih und Verderb auf sein Einkommen angewiesen.
Wir haben das als ein Hamsterrad erkannt und haben die Konsequenzen daraus gezogen. Die Lebensqualität ist eine ganz andere.
Gibt es irgendetwas, was du anders machen würdest?
Ich weiß nicht, ob ich mir direkt am Anfang ein Haus kaufen würde. Angesichts der steigenden Inflation vielleicht keine schlechte Idee, aber es geht einem schon eine gewisse Flexibilität verloren.
Ansonsten nein, ich bin voll zufrieden, wie alles gelaufen ist. Es ist wie ein Flow, seit wir diese Entscheidung getroffen haben, läuft alles. Es ist fast schon unheimlich, wie gut das läuft.
Wie schaust du auf die Unternehmer-Community hier auf Zypern? Wie wichtig ist dir der Stammtisch und die Events, die hier veranstaltet werden?
Bei dem Stammtisch war ich jetzt seit einem Jahr recht regelmäßig. Das ist es klasse zu hören wie es den anderen geht und was die so machen.
Es ist immer spannend zu hören, was die Beweggründe sind hierher auszuwandern. Das geht dann über die Steuern bis hin zu der Mentalität der Menschen hier vor Ort.
Wem würdest du eine Auswanderung nach Zypern empfehlen?
Wie ich schon so salopp gesagt habe: Jedem der die Schnauze voll hat, von dem System, in dem er lebt. Ich denke auch nicht jedem wird es hier gefallen, aber es ist erstaunlich zu sehen wie viele Neue immer am Stammtisch erscheinen.
Jeder muss es sich am Ende selbst angucken und für sich selbst entscheiden. Für uns war das der beste Schritt und wir fühlen uns hier total wohl.
Also jeder der den Mut hat und sagt er möchte nicht mehr in Deutschland leben, er möchte mehr Freiheit haben und weniger reglementiert sein, dann ist er hier gut aufgehoben.
Was treibt dich persönlich an, was ist deine Motivation?
Ich habe mal ein paar Seminare zu Motivation gemacht und da wurde gesagt, dass man sein eigener Motivator ist. Das sehe ich tatsächlich aus so. Ich brauche gar nicht viel Motivation, sondern mir gefällt es im Moment mich, um meinen Laden zu kümmern, zu sehen wie die Anfragen reinkommen. Denn das ist jetzt etwas, was ich für mich und die Familie mache, ohne bei jemandem angestellt zu sein, also aus einem eigenen Antrieb heraus.
Von daher ist die Motivation genug. Wenn man dann noch sein Hobby zum Beruf macht und man seiner Frau sagen kann: Ich muss jetzt aber Rad fahren gehen, weil das mein Beruf ist, dann ist das auch etwas Positives.
Wo siehst du dich in den nächsten fünf Jahren?
In drei Jahren muss das Unternehmen so laufen, dass wir einen Gewinn erzielen, aus dem wir leben können. Reich werden wir damit sicherlich nicht und will ich auch gar nicht. Es geht ja hier um andere Dinge. Aber es geht auch nicht, um davon jetzt in Rente zu gehen.
Von daher ist meine Ausrichtung da, nicht groß zu expandieren, sondern das Geschäft so zum Laufen zu bringen, dass wir gut davon leben können und es mehr oder weniger ein Selbstläufer ist.
Was sind noch letzte Worte, die du an unsere Leser richten möchtest, die dir am Herzen liegen?
Was mir am Herzen liegt ist, dass es hier hoffentlich noch lange so bleibt wie es hier ist.
Ich hoffe, dass sich Zypern noch lange dem europäischen Einfluss entziehen kann. Das nehme ich aber momentan so wahr, dass das ganz gut funktioniert.
Dass wir auch nicht zu eingedeutscht werden, klar geht der Fortschritt auch hier voran, aber dass die Mentalität und die Einfachheit hier erhalten bleibt.