Ein weiteres Interview aus den Atiflair Studios in Larnaka der Reihe „Zypern-Unternehmer-Portraits“.
Dieses Mal mit Manuel Glücker. Er ist ein erfolgreicher Unternehmer, der gemeinsam mit seiner Frau und Kind nach Zypern ausgewandert ist.
Er hat sein Unternehmen TC-Agriculture gegründet, welches Gemüse und „Micro-Greens“ biologisch anbaut. Seine Kunden beliefert er mit frischem, gesunden Bio-Gemüse. Er ist in Zypern Pionier, was biologischen Lebensmittelanbau angeht und probiert viele spannende Konzepte rundherum des Gemüseanbaus aus.
Erzähl ein bisschen etwas zu deinem Unternehmen.
Das Pflanzen anbauen hat mich, hat uns schon immer interessiert. Da weiß man, wo es herkommt, und es ist immer frisch. Wir lieben es zu experimentieren und zu entdecken. Das kann man im Gewächshaus wunderbar machen.
Zypern haben wir uns einfach einmal angeschaut. Wir fanden es sofort sehr spannend hier, weil hier ein ganz anderes Klima ist und hier auch ganz andere Pflanzen wachsen.
Wir haben erst damit angefangen, für uns selbst anzubauen. Relativ schnell haben wir gemerkt, dass wir immer Überschüsse haben, die wir erst einmal an Freunde verschenkt haben. Das hat sich dann alles so weiterentwickelt, dass wir irgendwann angefangen haben eine Gemüsekiste anzubieten. Das Konzept kannten wir aus Deutschland und wir wussten, dass es viele ausgewanderte Menschen hier gibt, die das auch kennen und zu schätzen wissen. Jetzt haben wir schon viele sehr glückliche Kunden, die wir mit frischem Gemüse versorgen können.
Warum habt ihr euch Zypern ausgesucht?
Wir waren vorher noch nie auf Zypern. Das ist also das erste Mal hier, und wir sind direkt geblieben.
Wir sind durch Freunde auf Zypern gekommen. Davor sind wir viel über die Welt gereist und wollten schon immer etwas ein wenig Anderes ausprobieren.
Wir haben auch immer schon einen Ort gesucht, an dem wir länger bleiben können. Ein wichtiger Punkt für uns war das Schulsystem in Deutschland, welches für uns nicht ganz stimmig ist.
Dann sind Freunde von uns für ein halbes Jahr nach Zypern, welche wir für vier Monate besuchen wollten. Das war sehr praktisch, weil wir gerade Elternzeit hatten und uns dafür die Zeit nehmen konnten. Das war Anfang 2019.
Wir haben die Reise erst einmal für 4 Monate gebucht. Als dann Anfang 2019 in Deutschland die Corona-Maßnahmen in Kraft traten, haben wir spontan entschieden zu bleiben.
Damals war meine Frau noch schwanger und hat unser Baby auch in Nikosia auf die Welt gebracht.
Das war alles kein Problem, da wir bei Ärzten waren, die Deutsch konnten, und auch in Deutschland ihre Ausbildung gemacht haben. Deswegen haben wir uns auch sehr gut aufgehoben gefühlt.
Uns gefällt es hier super gut. Es gibt eine große Vielfalt hier. Wir können das ganze Jahr über Tomaten anbauen.
Warum habt ihr euch für die Ecke Polis auf der Insel entschieden und nicht Larnaka oder Limasol?
Wir waren das erste Jahr in der Larnaka Region. Da wussten wir noch nicht so genau, wo wir hinwollen. Wir haben dann mit Freunden zusammen geschaut, wo wir noch hingehen können. Wir wussten, dass die Larnaka Region nicht der Ort ist, wo wir länger bleiben wollten.
Polis kam dann heraus, weil es dort noch recht ruhig ist, noch sehr naturbelassen. Im Sommer ist es dann auch noch ein Ticken kühler als auf dem Rest der Insel. Zudem haben wir eine wunderschöne Bucht und das Naturgebiet, was direkt nebenan ist.
Wir sind da ganz unserem Gefühl nachgegangen und nicht, wo wir am meisten Kunden für unsere Gemüsekiste haben werden.
Woher kommen eure Kunden? Sind es vorwiegend Deutsche und Ausländer, oder auch Zyprioten?
Wir haben noch keine zypriotischen Kunden. Das liegt wahrscheinlich daran, dass dieses Konzept der Gemüsekiste hier nicht bekannt ist. Selbst biologische Landwirtschaft wird hier gerade eher noch entdeckt. Wir hoffen, dass wir da etwas zu beitragen können, dass sich das weiterentwickelt.
Unsere Kunden kommen gerade aus Mitteleuropa: Deutschland, Schweiz, aber auch Russland. Die kennen das Konzept bereits und die sind sehr glücklich, dass es das jetzt auch hier gibt.
In welchem Radius liefert ihr?
Momentan ist es zwischen Neorodio(?) und Argaka. Das sind so 15 bis 20 Kilometer. Aber wir machen natürlich auch Ausnahmen, wenn jemand ein bisschen weiter weg wohnt.
Wir kooperieren auch mit dem TC-Groceries. Dort haben wir einen Pickup-Point, wo man jeden Dienstag sein Gemüse abholen kann.
Lass uns ein wenig über deine Familie sprechen. Die Jüngste ist hier auf Zypern geboren. Warum habt ihr euch da für Zypern entschieden?
Die Geburt hier haben wir hier gemacht, da wir mit den Maßnahmen, wie sie in Deutschland gesteckt wurden Schwierigkeiten hatten. Hier war dann auch die Community super hilfreich und hat uns direkt den Kontakt zu einem sehr guten Arzt gegeben. Es gibt ja auch schon einige deutsche Mütter, die auf Zypern ihre Kinder bekommen haben.
Meine Freundin ist dann mit einer anderen, auch schwangeren Freundin zu einem Arzt gefahren und das hat sich alles gut angefühlt und hat auch alles gepasst. Deswegen wollten wir auch nicht noch hochschwanger fliegen. Außerdem haben wir uns gesagt: hier sind auch schon Millionen Kinder auf die Welt gekommen.
Unsere Familie war am Anfang recht überrascht, dass wir hiergeblieben sind. Aber jetzt freuen sich alle, weil sie uns hier besuchen kommen können. Das ist etwas, was sehr schön ist.
Gab es irgendwelche Sprachbarrieren für euch?
Bei den Kunden läuft Deutsch und Englisch super. Bei Zulieferern, die wir haben, wäre es manchmal schön noch ein bisschen mehr Griechisch zu können. Wir können uns begrüßen und höflich vorstellen, aber manchmal ist es schön sich vielleicht noch ein bisschen mehr zu unterhalten.
Aber ansonsten ist das hier gar kein Problem. Da sind wir mit unserem englisch und deutsch sehr gut aufgehoben.
Die jungen Zyprioten können auch alle englisch, da geht alles einwandfrei. Nur bei manchen älteren Bauern, die das noch nicht in der Schule gelernt haben, wäre es manchmal schön noch ein bisschen besser Griechisch sprechen zu können.
Hattet ihr Herausforderungen als Unternehmer oder Markteinstiegshürden?
Mit den Farmern hatten wir immer sehr gute Erfahrungen gemacht. Die sind sehr dankbar, dass wir ihre Ware direkt bei ihnen abholen kommen. Wir schauen uns auch alles genau an, wie sie anbauen und suchen immer den direkten Kontakt zu ihnen.
Für die Zyprioten ist es noch etwas Neues. Wir versuchen aber immer weiter zu etablieren und den Leuten die Vorteile von gesunder Ernährung nahezubringen. Die ausländischen Kunden, die wir haben, sind sehr dankbar für das, was wir ihnen anbieten können.
Was sind Dinge, die du offline-Unternehmern mitgeben kannst, die nach Zypern auswandern wollen?
Als Erstes kann ich empfehlen, sich zu vernetzen. Es gibt unheimlich viele Menschen, die hier Dinge ausprobieren wollen. Vernetzt euch, stellt Fragen und seid offen Neues auszuprobieren. Wenn ihr etwas gründen wollt, dann sucht euch etwas, was euch motiviert und wo ihr dabeibleibt. Legt nicht alles darauf, aus Gewinn zu generieren, sondern macht etwas, was euch begeistert und womit ihr eure Begeisterung nach Außen bringen könnt.
Wie wichtig ist für euch die Zypern-Unternehmer-Community? Wie hat sie euch bisher geholfen?
Für uns war es so, dass wir über Freunde hierhergekommen sind. Die haben also bereits die ganze Vorarbeit geleistet. Wir konnten ihren Weg nachgehen und sie konnten unsere Fragen beantworten. Aber generell ist es gut zu wissen, dass diese Community da ist. Man kann da Fragen reinstellen und es gibt dort Menschen, die aus den verschiedensten Bereichen zusammenkommen, die alle dieselbe Sprache sprechen. Also das ist sehr wertvoll.
Da wir aber bereits die Freunde hatten, die hier schon Fuß gefasst hatten, haben wir uns eher mit denen in Verbindung gesetzt.
Gibt es etwas, was du anders machen würdest, solltest du hier noch einmal von vorne anfangen?
Ich würde mich am Anfang mehr mit Leuten verbinden, die sich im Bereich Wohnungen besser auskennen. Denn viele der Wohnungen hier sind auf Sommer ausgelegt und da kann es im Winter schon recht kalt drinnen werden.
Lass uns ein wenig über Micro-Greens sprechen. Wofür sind die gut und wofür kann man die einsetzen?
Ich habe mich immer schon für gesunde Ernährung interessiert. Micro-Greens sind da einfach sehr Chlorophyllhaltig und sehr reich an Nährstoffen und Vitalstoffen und sind Antioxidantien.
Micro-Greens sind „Mikro-Grüns“ von zum Beispiel Sonnenblumen, Radieschen oder Senfpflanzen. Die kann man einfach so aus dem Topf essen. Mein Favorit sind die Sonnenblumen, weil die lecker süßlich schmecken, wie ein Sonnenblumenkern, aber nur frischer. Die sind auch proteinhaltig, da das Grün auch direkt aus dem Kern wächst.
Ich empfehle die frisch zu essen, dann bleiben auch die ganzen guten Vitalstoffe erhalten. Entweder auf Brot, in den Salat, in einen Smoothie, oder zu einem anderen Gericht. Es gibt da sehr viele Einsatzmöglichkeiten.
Die Micro-Greens wachsen hier auch sehr schnell, im Sommer sogar in nur einer Woche.
Wir haben uns Bio-Saatgut aus Deutschland zukommen lassen. Das war uns sehr wichtig, da eine gute Qualität zu haben.
Unser Konzept ist es die Greens in den Töpfen zu verkaufen, damit man das auch bei sich in der Küche stehen haben kann. Das ist wichtig, da die Greens geerntet im Kühlschrank nur ein paar Tage gut bleiben.
Auf die Töpfe haben wir ein Euro Pfand gesetzt, die bekommen wir dann wieder zurück.
Das war anfangs ein Experiment, aber es funktioniert super. Wir packen dann immer einen Topf Micro-Greens mit in die Gemüsekiste und alle freuen sich frisches und gesundes Gemüse zu bekommen.
Wo und wie findet man euch?
Wir haben eine Facebook-Seite. Unter TC-Agriculture findet man uns da. Da kann man uns eine Nachricht schreiben oder eine E-Mail zukommen lassen. Wenn man in der Region ist, kann man auch einfach mal vorbeischauen und sich alles anschauen. Wir haben auch Hydroponik-Systeme, die sehr spannend sind. Dort bauen wir Leafy-Greens an (also Grünkohl, Salat etc.) in einer Wasser-Nährstoff-Lösung. Wir haben ein Kreislaufsystem mit Wasser, das versetzt ist mit Nährstoffen. Das wird konstant in diesem Kreislaufsystem an die Pflanzen gebracht. Dort wachsen dann beispielsweise die Salate drin. Ich habe mir das alles selbst angeeignet über Videos und Tutorials.
In Vergleich ist mit normalem Anbau ist es enorm wie schnell die Pflanzen in den Hydroponiks wachsen. Denn sie können ihre Wurzeln frei ausbreiten und es ist alles über Wasser, über Sauerstoff bis Nährstoffe da.
Man muss sich da schon ein bisschen auskennen wegen des pH-Wertes des Wassers, der Wärmeintensität usw. Aber es ist gerade für Zypern ein sehr spannendes Konzept, weil es gibt Hydroponik-Systeme, die bis zu 95 % Wasser einsparen im Vergleich zum herkömmlichen Anbau.
Wem würdest du eine Auswanderung nach Zypern empfehlen?
Alles, die etwas Neues ausprobieren wollen. Alles, die das Inselleben mögen und genießen möchten. Die Natur ist hier wunderschön, mit ihren Bergen, Tälern, Schluchten, Naturreservoire. Das Leben ist hier sehr viel entspannter, die Zyprioten sind superliebe Menschen. Es gibt hier aber auch viele ausgewanderte Menschen, von Deutschen über Österreichern bis Russen etc. Mir gefällt das sehr gut diese kulturelle Vielfalt zu haben und diesen Austausch zu haben.
Wer auch einfach die Sonne mag. Im Sommer kann es hier schon ordentlich warm werden, aber ich habe da auch gelernt einfach meinen Tagesrhythmus daran anzupassen. Auch der Körper ist da sehr anpassungsfähig.
Die Bürokratie ist hier auch nicht so aufwändig und ein bisschen entspannter als in Deutschland.
Auch für die Kinder ist es super, weil sie so viel Draußen machen können.
Ich habe diesen Trend in den letzten Jahren auch beobachtet, dass immer mehr Familien mit Kindern jeglichen Alters hierher auswandern. Die Community wächst und verändert sich dahingehend immer weiter. Was treibt dich an? Was bringt dich morgens aus dem Bett?
Wir möchten die Welt verschönern. Es kann jeder seins finden. Unseres ist es gesundes Gemüse zu produzieren und ein Bewusstsein für den ganzen Anbauprozess zu schaffen, von der Same bis zum fertigen Gemüse.
Wir wollen dazu anregen, Kreisläufe zu schließen, wenn wir auf unseren Müll schauen. Das fängt mit Kompost an und geht bis zu den Küchenabfällen, die bei uns jeden Tag anfallen. Da geht es darum, ein Bewusstsein zu schaffen, was konsumiert man und was wirft man weg.
Ich glaube egal, wo man auf der Welt ist, ist es wichtig, mit einem guten Beispiel voranzugehen.
Jeder muss da einfach finden, was ihm motiviert und begeistert, was ihn morgens früh aufstehen lässt.
Wo siehst du dich in fünf bis zehn Jahren mit deinem Unternehmen?
Wir stellen uns in den kommenden Jahren vor in Zypern, aber vielleicht auch groß läufiger immer mehr Leute erreichen und mehr Bewusstsein für natürliche Kreisläufe und einen natürlichen Lebensmittelanbau zu schaffen.
Es gibt immer mehr Menschen, die gerade in der jetzigen Zeit immer mehr Wert auf gesunde Lebensmittel setzen, die sie vielleicht auch selbst anbauen. Da kann man sehr viel machen, Seminare organisieren, Workshops zu Wasserverbrauch usw.
Ich denke dabei auch an die nächste Generation, denen das Wissen und die Fähigkeiten mitzugeben, damit sie diese Weise des Lebensmittelanbaus weiterführen können.
Du hast das letzte Wort, dich noch einmal an die Leser und Leserinnen zu wenden. Was möchtest du ihnen mitgeben?
Meine Erfahrung ist, manchmal erfordert es den Mut noch einmal diesen Schritt zu gehen und etwas Neues zu wagen. Ich habe da gelernt mehr meiner Intuition zu folgen, auch wenn sich der Kopf erst einmal rational nicht erklären kann. Die Dinge ergeben sich immer zum Besseren wenden, wenn man mit einem offenen Herzen und Interesse vorangeht.